Sie stehen vor einer der wichtigsten IT-Entscheidungen der nächsten Jahre: Wie bringen Sie Large Language Models (LLMs) sicher und wirtschaftlich in Ihr Unternehmen?
Die Wahl zwischen selbstgehosteten Modellen und Cloud APIs bestimmt nicht nur Ihr Budget. Sie entscheidet über Datenschutz, Performance und die Geschwindigkeit, mit der Sie KI-Anwendungen produktiv einsetzen können.
Als IT-Leiter kennen Sie das Dilemma: Ihre Geschäftsführung erwartet schnelle Erfolge mit Generativer KI. Gleichzeitig dürfen Kundendaten nicht in falsche Hände geraten.
Die gute Nachricht: Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Die schlechte: Eine Fehlentscheidung kostet Sie Zeit, Geld und möglicherweise das Vertrauen Ihrer Stakeholder.
Dieser Leitfaden gibt Ihnen die Fakten an die Hand, die Sie für eine fundierte Entscheidung brauchen. Ohne Marketing-Gerede, dafür mit konkreten Zahlen und Praxiserfahrungen aus dem Mittelstand.
Die beiden Bereitstellungsmodelle im Überblick
Bevor wir in die Details einsteigen, klären wir die Grundlagen. Denn hinter den Begriffen Self-Hosting und Cloud APIs stecken fundamentale Unterschiede in Architektur und Verantwortung.
Selbstgehostete LLMs: Vollständige Kontrolle, vollständige Verantwortung
Bei selbstgehosteten Modellen betreiben Sie das LLM auf Ihrer eigenen Infrastruktur. Das kann Ihr Rechenzentrum sein, eine Private Cloud oder ein dedizierter Server beim Hosting-Partner Ihres Vertrauens.
Sie laden Open-Source-Modelle wie Llama 2, Mistral oder Code Llama herunter und betreiben diese eigenständig. Dabei behalten Sie die vollständige Kontrolle über Daten, Modell und Infrastruktur.
Der Haken: Sie tragen auch die vollständige Verantwortung für Updates, Sicherheit und Performance.
Cloud APIs: Einfachheit gegen Abhängigkeit
Cloud APIs wie OpenAI GPT-4, Anthropic Claude oder Google Gemini funktionieren nach dem Software-as-a-Service-Prinzip. Sie senden Ihre Anfragen über eine Schnittstelle an die Server des Anbieters und erhalten die Antwort zurück.
Das bedeutet: Keine Hardware-Investitionen, keine Wartung, keine Modell-Updates. Dafür aber auch keine Kontrolle über die Infrastruktur und möglicherweise Abhängigkeiten von Drittanbietern.
Die Nutzung erfolgt meist nach einem Pay-per-Use-Modell. Sie zahlen für die tatsächlich verarbeiteten Tokens – das sind die Wortfragmente, die das Modell verarbeitet.
Kostenfaktoren im Detail
Die wahren Kosten verstecken sich oft im Detail. Ein ehrlicher Vergleich berücksichtigt alle Faktoren – von der Hardware bis zum Personalaufwand.
Hardware- und Infrastrukturkosten bei Self-Hosting
Für produktive LLM-Anwendungen benötigen Sie leistungsstarke Hardware. Ein Modell wie Llama 2 mit 70 Milliarden Parametern braucht mindestens 140 GB VRAM für den Betrieb.
Das bedeutet: Sie benötigen mehrere High-End-GPUs wie die NVIDIA A100 oder H100. Eine einzelne A100 kostet etwa 15.000 Euro, eine H100 sogar über 30.000 Euro.
Rechnen Sie zusätzlich mit Kosten für Server-Hardware, Netzwerk-Equipment und unterbrechungsfreie Stromversorgung. Für eine solide Basis sollten Sie mindestens 100.000 Euro einplanen.
Hinzu kommen laufende Kosten für Strom, Kühlung und Wartung. Je nach Auslastung können das weitere 2.000 bis 5.000 Euro monatlich sein.
API-Kosten und Skalierungseffekte
Cloud APIs rechnen transparent nach Nutzung ab. Die Preise für Modelle wie OpenAI GPT-4 liegen beispielsweise bei etwa 0,03 US-Dollar pro 1.000 Input-Tokens und 0,06 US-Dollar pro 1.000 Output-Tokens.
Für ein mittelständisches Unternehmen mit moderater Nutzung (etwa 100.000 Anfragen monatlich) entstehen so Kosten zwischen 500 und 2.000 Euro pro Monat.
Der Vorteil: Die Kosten skalieren linear mit der Nutzung. Sie zahlen nur, was Sie tatsächlich verwenden. Bei selbstgehosteten Modellen entstehen die Hardware-Kosten unabhängig von der Auslastung.
Doch Vorsicht: Bei intensiver Nutzung können API-Kosten schnell explodieren. Ab etwa 10.000 Euro monatlichen API-Kosten wird Self-Hosting wirtschaftlich interessant.
DSGVO, Betriebsräte und Kundendaten: Rechtliche Realitäten
Für deutsche Unternehmen ist Datenschutz nicht verhandelbar. Die DSGVO ist seit 2018 in Kraft und ihre Anforderungen sind klar: Sie müssen wissen, wo Ihre Daten sind und wie sie verarbeitet werden.
Self-Hosting: Maximale Kontrolle, maximale Verantwortung
Bei selbstgehosteten Modellen bleiben alle Daten in Ihrer Infrastruktur. Das erfüllt die strengsten Datenschutz-Anforderungen und gibt Ihnen volle Kontrolle über Verarbeitung und Speicherung.
Sie können genau definieren, welche Daten das Modell sieht und wie lange sie gespeichert werden. Für Branchen mit besonderen Compliance-Anforderungen – wie Banken oder Gesundheitswesen – ist das oft der einzige gangbare Weg.
Allerdings tragen Sie auch die vollständige Verantwortung für die sichere Implementierung. Das schließt Verschlüsselung, Zugriffskontrolle und Audit-Logs ein.
Cloud APIs: Vertrauen in Drittanbieter
Bei Cloud APIs geben Sie Daten an Drittanbieter weiter. Das erfordert eine sorgfältige Prüfung der Datenschutzerklärungen und Auftragsverarbeitungsverträge.
Die großen Anbieter wie OpenAI, Anthropic und Google stellen entsprechende Vertragsunterlagen und Informationen zur Verfügung. Beispielsweise gibt OpenAI an, dass Daten aus API-Anfragen nicht für das Training der Modelle verwendet werden.
Trotzdem müssen Sie Ihren Betriebsrat und Ihre Datenschutzbeauftragte überzeugen. Das kann Zeit kosten und erfordert oft zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie die Anonymisierung von Kundendaten.
Für viele mittelständische Unternehmen ist das ein Ausschlusskriterium – zumindest für Anwendungen mit sensiblen Daten.
Performance und Verfügbarkeit im Vergleich
Die beste Technologie nützt nichts, wenn sie nicht verfügbar ist oder zu langsam reagiert. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen beiden Ansätzen.
Cloud APIs bieten meist eine sehr hohe Verfügbarkeit und werden durch den Anbieter aktiv betreut. Bei Ausfällen kümmert sich der Anbieter um die Lösung. Sie haben keine Wartungsfenster und müssen sich nicht um Updates kümmern.
Die Latenz hängt von Ihrer Internetverbindung und der geografischen Nähe zum Rechenzentrum ab. Typische Antwortzeiten liegen zwischen 500 Millisekunden und 3 Sekunden – abhängig von der Komplexität der Anfrage.
Bei selbstgehosteten Modellen haben Sie die volle Kontrolle über Performance und Verfügbarkeit. Mit lokaler Hardware erreichen Sie minimale Latenzen unter 100 Millisekunden.
Allerdings müssen Sie Hochverfügbarkeit selbst sicherstellen. Das bedeutet redundante Hardware, Backup-Systeme und ein eingespieltes Operations-Team. Für viele mittelständische IT-Abteilungen eine große Herausforderung.
Ein weiterer Punkt: Selbstgehostete Modelle arbeiten oft langsamer als die Cloud-Pendants. Während GPT-4 auf sehr leistungsfähiger Infrastruktur läuft, müssen Sie mit der Hardware auskommen, die Ihr Budget hergibt.
Was braucht Ihr Team wirklich?
Die technische Komplexität unterscheidet sich erheblich zwischen beiden Ansätzen. Seien Sie ehrlich: Was kann Ihr Team stemmen?
Für Cloud APIs brauchen Sie primär Entwickler mit API-Erfahrung. Die Integration ist meist in wenigen Tagen machbar. Ein einfacher Python-Client oder REST-API-Aufruf genügt für den Start.
Das ändert sich bei komplexeren Anwendungen. RAG-Systeme (Retrieval Augmented Generation) oder Fine-Tuning erfordern tieferes ML-Know-how – unabhängig vom Bereitstellungsmodell.
Self-Hosting verlangt deutlich mehr technische Expertise. Sie brauchen Spezialisten für GPU-Computing, Container-Orchestrierung mit Kubernetes oder Docker, und Modell-Optimierung.
Hinzu kommt der operative Aufwand: Monitoring, Logging, Backup und Recovery. Wenn Ihr LLM um 3 Uhr nachts ausfällt, muss jemand aus Ihrem Team ran.
Viele Unternehmen unterschätzen diesen Punkt. Ein LLM produktiv zu betreiben ist mehr als ein Proof of Concept. Es erfordert die gleiche Professionalität wie Ihre anderen geschäftskritischen Systeme.
Vier Entscheidungsszenarien für IT-Leiter
Nach Jahren der Beratung sehen wir immer wieder ähnliche Muster. Ihre Situation entscheidet über den optimalen Ansatz.
Wann Self-Hosting Sinn macht
Szenario 1: Strenge Compliance-Anforderungen
Sie arbeiten in einer regulierten Branche oder haben Kunden mit besonderen Datenschutz-Anforderungen. Dann führt oft kein Weg am Self-Hosting vorbei.
Szenario 2: Hohe Nutzungsvolumen
Sie planen mehr als 10.000 Euro monatliche API-Kosten oder haben kontinuierlich hohe Anfragevolumen. Ab diesem Punkt wird eigene Hardware wirtschaftlich.
Szenario 3: Starkes ML-Team vorhanden
Ihr Team hat bereits Erfahrung mit Machine Learning Operations und GPU-Computing. Dann können Sie die Komplexität stemmen und von der vollen Kontrolle profitieren.
Wann Cloud APIs die bessere Wahl sind
Szenario 4: Schneller Start gewünscht
Sie wollen binnen Wochen erste Anwendungen produktiv haben. Cloud APIs ermöglichen den schnellsten Einstieg ohne Infrastruktur-Investitionen.
Für die meisten mittelständischen Unternehmen empfehlen wir den Start mit Cloud APIs. Sie können schnell Erfahrungen sammeln, Use Cases validieren und später eine fundierte Entscheidung über Self-Hosting treffen.
Ein wichtiger Punkt: Beginnen Sie nicht mit der Technologie, sondern mit dem Geschäftsnutzen. Welche Prozesse wollen Sie verbessern? Welche Zeiteinsparungen sind realistisch?
Erst wenn Sie klare Antworten haben, macht die Infrastruktur-Entscheidung Sinn. Zu oft sehen wir Unternehmen, die sich in technischen Details verlieren und den eigentlichen Nutzen aus den Augen verlieren.
Das Beste aus beiden Welten
Die Entscheidung muss nicht binär sein. Hybride Ansätze kombinieren die Vorteile beider Modelle und reduzieren Risiken.
Ein bewährtes Vorgehen: Starten Sie mit Cloud APIs für Prototyping und weniger kritische Anwendungen. Parallel bauen Sie Know-how und Infrastruktur für Self-Hosting auf.
So können Sie sensitive Daten on-premise verarbeiten, während Sie für Standard-Aufgaben die Skalierbarkeit der Cloud nutzen. Moderne KI-Orchestrierungstools unterstützen genau solche Multi-Model-Architekturen.
Ein anderer Ansatz: Nutzen Sie Cloud APIs für die Entwicklung und wechseln Sie für den Produktivbetrieb zu Self-Hosting. Das reduziert das Risiko von Vendor Lock-in und gibt Ihnen Flexibilität.
Wichtig dabei: Planen Sie von Anfang an für Portabilität. Verwenden Sie standardisierte APIs und vermeiden Sie anbieterspezifische Features, die einen späteren Wechsel erschweren.
Denn eins ist sicher: Die LLM-Landschaft entwickelt sich rasant. Was heute die beste Lösung ist, kann in einem Jahr überholt sein. Flexibilität ist Ihr wichtigstes Asset.
Häufig gestellte Fragen
Wie lange dauert die Implementierung von Self-Hosting vs. Cloud APIs?
Cloud APIs können binnen Tagen integriert werden. Self-Hosting benötigt 2-6 Monate für Hardware-Beschaffung, Setup und Optimierung – abhängig von Ihren Anforderungen und der verfügbaren Expertise.
Welche Open-Source-Modelle eignen sich für Self-Hosting?
Llama 2, Mistral 7B und Code Llama bieten gute Performance bei moderaten Hardware-Anforderungen. Für anspruchsvolle Aufgaben kommen Llama 2 70B oder Mixtral 8x7B in Frage – diese benötigen jedoch deutlich mehr Ressourcen.
Sind Cloud APIs DSGVO-konform?
Viele Anbieter wie OpenAI, Anthropic und Google bieten inzwischen entsprechende Auftragsverarbeitungsverträge an. Wichtig ist die sorgfältige Prüfung der Verträge und die Dokumentation der Datenübertragung.
Ab welchem Nutzungsvolumen wird Self-Hosting wirtschaftlich?
Die Break-Even-Schwelle liegt bei etwa 8.000-12.000 Euro monatlichen API-Kosten. Dabei sind Hardware-Abschreibung über 3 Jahre, Strom und Personal eingerechnet. Bei geringerem Volumen sind Cloud APIs meist günstiger.
Kann ich später von Cloud APIs zu Self-Hosting wechseln?
Ja, wenn Sie von Anfang an auf Portabilität achten. Verwenden Sie standardisierte Prompt-Formate und API-Abstraktionen. Der Wechsel ist technisch machbar, erfordert aber Anpassungen in Ihrer Anwendung.